Eine weitere Erwiderung auf Torben Schiffer

Vermutlich wird mir jetzt irgendwer eine gewisse Obsession mit Torben Schiffer vorwerfen, und was soll ich sagen – so ganz ist es ja nicht von der Hand zu weisen 🙂

Aber im Ernst: Die Reaktionen auf den Beitrag Der Populismus des Torben Schiffer waren schon bemerkenswert, aus unterschiedlichen Richtungen hat mich Feedback erreicht.

Ein Reaktion war ein langer, und wie ich finde, sehr gelungener Text des Imkers Hermann Hennecke, welcher sich mit dem von mir besprochenen Artikel in “Imkern Heute” von einem anderen Standpunkt aus auseinandersetzt.

Nach Rücksprache mit Hermann möchte ich seinen Diskussionsbeitrag hier veröffentlichen.

Hier also der Text:

Ergänzungen zum Artikel „Der wahre Preis des Honigs“ von Torben Schiffer in der Zeitschrift „Imkern heute“ Ausgabe 9

In dem genannten Artikel gibt es viele Behauptungen, die sich immerwährend wiederholen. Leider lässt der Autor, wohl bewusst, einige Lücken in seinen Ausführungen. Ich möchte mit meinen Ergänzungen versuchen einige davon zu schließen und so manche Aussage ins rechte Licht zu rücken. Eine Vollständigkeit der notwendigen Ergänzungen werde ich wohl nicht erreichen.

Ein sehr großes Problem bei den Veröffentlichungen von Herrn Schiffer sind die Verallgemeinerungen. Er erweckt beispielsweise den Eindruck, als würden alle möglichen, von ihm und anderen als negativ eingestuften Verhaltensweisen auch von allen Imkern immer ausgeführt werden. Das ist aber absolut nicht der Fall.

Er bemüht sich auch nicht solche eventuellen Fehlinterpretationen aufzuklären, sondern schürt immer wieder das Feuer der Provokation. Die Bereitschaft der angegriffenen Imker, sich sachlich damit auseinander zu setzen, ist somit schon im Keim erstickt. Wohlgemerkt von ihm absichtlich so herbeigeführt.

Desweiteren sollte er deutlich vertreten, dass er nicht eine Verbesserung der Imkerei fordert, sondern deren Abschaffung. Er fordert auf die Honigentnahme durch den Menschen zu verzichten um die Honigbienen zu schützen.

So lange sich der Mensch mit den Honigbienen beschäftigt, galt sein Interesse der Entnahme von Honig. Gleichgültig ob es sich um wild lebende Völker handelte oder um Völker in seiner Obhut. Die Art und Form der Haltung und Unterbringung der Bienen war im Laufe der Zeit und auch geographisch gesehen höchst unterschiedlich und ist es auch heute noch.

Die Option, seinen Schiffertree mit einem Honigraum zu versehen, ist dabei eine sehr inkonsequente Vorgehensweise. Nebenbei bemerkt entnimmt er mit einer Füllung dieses Raumes ähnlich viel Honig, wie es in der von ihm als  „Massentierhaltung“  bezeichneten und kritisierten üblichen Haltung der Bienen der Fall ist. Bezogen auf die Anzahl der Bienen.

Herr Schiffer kritisiert finanzorientierte Verhaltensweisen der Imkerschaft:

„Am Ende geht es nicht um die Bienen
selbst, sondern um das Geschäft.
Die Imkervereine wollen Mitglieder
akquirieren und Gehälter bezahlen,
die Equipmentverkäufer wollen
zahlreiche Werkzeuge verkaufen,…“

Derweil gründet er einen Verein, der Mitglieder akquiriert und zu Spenden aufruft, dessen Mitglieder möglichst sein Buch kaufen und seine Kurse besuchen sollen.

Der von ihm entwickelte und empfohlene Schiffertree kostet etwa 5-10 mal soviel, wie herkömmliche Bienenbeuten, je nachdem ob man pro Volk, oder pro Biene rechnet.

Die Fördergelder der staatlichen Bieneninstitute werden angeprangert. Wie sieht es denn mit den Fördergeldern für seine Forschungsprojekte aus? Vielleicht sollte man das Erforschen bei ihm ebenso in Anführungszeichen schreiben, wie er es für die Bieneninstitute macht.

Er kritisiert den Raubbau an Wald und Holz während er gleichzeitig für eine Bienenunterkunft plädiert, die grob überschlagen 5 mal soviel Holz verbraucht, wie eine übliche Unterbringung, plus die stark Energie und Rohstoff verbrauchenden Metallbeschläge. Das gilt für die Standardversion. Die neueren noch dickwandigeren Simulationen weisen eine noch größere Ressourcenverschwendung auf.

Er führt selber aus, dass nur ein äußerst geringer Teil des eingetragenen Nektars als Honig vom Imker entnommen wird. Wobei die genannten Zahlen noch weit von den tatsächlich erfassten Durchschnittserträgen abweichen. Er rechnet mit viel zu großen Erntemengen. Also wird nur ein minimaler Anteil dem Ökosystem „entzogen“.

Der Rest dient der Vermehrung der Bienen. Der größte Teil dient angeblich der Temperaturregelung im Bienenvolk, größtenteils zur Temperaturerhöhung. Dieser Nektarverbrauch zur Aufzucht des Nachwuchses findet in seinen Baumhöhlensimulationen aber genauso statt. Auch dort werden Bienen gefüttert, die Temperatur konstant gehalten (meist erhöht) und Wachs produziert. 

Der Nachteil, den ein Volk im Sommer in der Stadt erduldet, wenn es den Raum nicht von 20° auf 35° wie im Wald, sondern nur von 34° auf 35° erhitzen muss, ist nur schwer nachzuvollziehen.. Die Werte stammen aus seinen eigenen, genannten Ausführungen.

Zum Verbrauch dieser Energie ist auch noch anzumerken, dass ein nicht unwesentlicher Teil davon zur Wachsproduktion und –verarbeitung benötigt wird. Viele Imker verringern diesen Verbrauch erheblich, indem Sie den Bienen Wachs in Form von Mittelwänden zur Verfügung stellen. Also eigentlich doch eine Energiesparmaßnahme zur Minderung der angenommenen „Schäden“.

Er behauptet, dass durch den Honigentzug viele Wildbienen und andere Insekten leiden würden und dadurch ihr Vorkommen verringert würde. Diese würden so als Biomasse der Nahrungskette entzogen. Sind die Honigbienen in imkerlicher Betreuung nicht auch Teil dieser Nahrungskette?

Ich möchte behaupten, dass ca. 50 Prozent der Nahrung, der in meinem Garten aufgezogenen Meisen, aus den dort gehaltenen Honigbienen besteht. 

Auch bei der Bestäubung der Pflanzen gibt es noch eine Ergänzung. Diese kommt nicht durch die Existenz von Bestäuberinsekten zustande, sondern durch ihr Sammeln von Nektar und Pollen. Wenn also viel gesammelt wird, wird auch viel bestäubt. Besonders im zeitigen Frühjahr ist es vorteilhaft, wenn viele Bienen im Volk sind, weil dann auch viele zum Sammeln ausfliegen können.
Kleinere Völker starten viel später mit Ihrer Entwicklung. 

Wenn man von dem Brechen des Tierschutzgesetzes in der heutigen Form spricht und dies auf die Bienen bezieht, sollte man nicht verschweigen, dass eben dieses Gesetz gar nicht für Insekten gilt. Das kann man gut oder schlecht finden, aber es gehört zur Aussage nun mal dazu. 

Leider sind in diesem Artikel keine konkreten Aussagen zu finden, warum die konventionellen Beuten weniger geeignet sind als Unterkunft für Honigbienen, als sein Schiffertree. An anderer Stelle macht er allerdings mehrere zu widerlegende, sich häufig widersprechende Aussagen. Hier bleibt es eine einfache Behauptung. Es stellt sich auch die Frage, warum sich diese gebräuchlichen Systeme überhaupt so entwickelt haben. Sie müssen ja auch Vorteile haben, da die Bienen sich darin ja sehr gut entwickelt haben. 

Es ist bei der Energiebilanz zu berücksichtigen, dass von Herrn Schiffer gerne große Bienenvölker in der herkömmlichen Haltung, mit erheblich kleineren Völkern im Schiffertree verglichen werden. Es müsste aber die Bienenanzahl ins Verhältnis gesetzt werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass 5 Bienenvölker in Schiffertrees eine erheblich schlechtere Energiebilanz aufweisen, als ein Volk in herkömmlicher Beute mit der entsprechenden Größe.

Die Bauphysik, die Herr Schiffer gerne (oft fehlerhaft) bemüht, dürfte das beweisen. 

Als Beispiel sollte schon genügen, dass er das dicke Holz gerne als Wärmespeicher und gleichzeitig als Wärmedämmung bezeichnet. Leider birgt aber die Verbesserung der Eigenschaft in die eine Richtung eine Verschlechterung in die entgegengesetzte Richtung. Nimmt man die von ihm oft genannten guten Wasserspeichereigenschaften dazu, verringert sich die Wärmedämmwirkung noch weiter erheblich. Wobei der Feuchtigkeitsaustausch mit der zunehmenden Propolisierung der Innenwände abnimmt und irgendwann nahe Null liegen dürfte. Es gibt sehr viele Widersprüche in seiner Bauphysik.

Herr Schiffer sollte sich entscheiden, ob er bei den Honigbienen, um die es hier geht, von einem Nutztier, oder von einem Wildtier sprechen will. Das eine schließt das andere aus. Es handelt sich um dieselben Bienen. Es ist nicht möglich die Einstufung der jeweiligen Argumentation anzupassen.

Die Kriterien, die zur Einstufung als Nutztier hier herangezogen werden, sind schon sehr seltsam. Man muss sie nur mal auf andere Nutztiere übertragen.

Bei der Frage warum Bienen noch schwärmen, könnte man auch fragen, warum Kühe sich noch vermehren können.

Es ist nicht sehr passend, die Selektion der Bienen auf Sanftmut hier anzuprangern und sich an anderer Stelle darüber zu freuen, wie friedlich die Bienen im Schiffertree sind. Nebenbei bemerkt sind die Bienen in den Kisten nicht weniger friedlich. Nicht wenige der Verhaltensweisen, die er in seiner Simulation als positiv bewertet, sind ein Produkt der heute üblichen Haltungsweisen und der vom Menschen durchgeführten Auswahl.

Ähnlich verhält es sich wohl auch mit den Krankheiten. Die Imker versuchen, die Krankheiten einzudämmen. Davon profitieren auch die Bienen, die momentan in die Schiffertrees einziehen oder dort eingesetzt werden.

Die Verhaltensweisen der Bienen zur Stockhygiene, die es (fast) nur in den Baumhöhlen und seinem Schiffertree zu beobachten gäbe, sind schon seit vielen Jahrzehnten Bestandteil der imkerlichen Beschreibungen. In vielen Büchern sind diese von den unteschiedlichsten Autoren, in den unterschiedlichsten „Kästen“  dokumentiert. Auch heute findet man sie noch sehr häufig.

Natürlich findet man ein Verhalten, dass der Oberflächenglättung dient, seltener an glatten Innenwänden, als an extra aufgerauten. Mit dem Anrauhen der Innenflächen macht man den Bienen also nur mehr Arbeit. Man hilft ihnen keinesfalls.

Leider müssen sterbende Hummeln unter Linden immer wieder als Beleg für die Nahrungskonkurrenz zwischen Honigbienen und Wildbienen herhalten.

Wenn in den Linden keine ausreichenden Nektarvorkommen mehr zu finden sind, liegt es weniger daran, dass diese abgefrühstückt wurden, als daran, dass sowieso nichts da ist und war, meist wegen zu großer Trockenheit, oder weil sich die Blütezeit dem Ende neigt.

Wenn laut der von Herrn Schiffer angeführten Umfrage 70 % der Imker den Honig als gar nicht so wichtig einstufen, warum werden dann alle Imker von ihm als Ausbeuter diffamiert?

Das Anprangern des „Schwarzschimmels“ an den Standardbeuten dürfte aufhören, wenn die ersten dunklen Stellen an den Schiffertrees auftauchen.

Das ist nur eine Frage der Zeit, da es sich um eine vollkommen natürliche Reaktion des unbehandelten Holzes handelt.

Abzuwarten bleibt auch, wie die Schiffertreebesitzer die einkalkulierte Selektionsrate von 2/3 der Population finden. In zwei von drei Jahren ist die

Simulation leer. Ob die Sterberate nicht noch größer ist, bleibt er die Antwort und den Beleg bisher schuldig. Das wird eine große Begeisterung für diese Haltungsform wecken. In diesem Zusammenhang ist es seltsam zu lesen, dass die unheimlich hohe Sterberate in den konventionellen Bienenkisten von bis zu 30 Prozent, als Katastrophe dargestellt werden, im Schiffertree dagegen über 60 Prozent Sterberate als natürlich und vollkommen normal hingestellt werden.

Es ist auch seltsam, dass es Herrn Schiffer angeblich nicht darum geht, gegenseitige Schuldzuweisungen auszusprechen, aber der von der Imkerei zur Zeit beschrittene Weg wird trotzdem als „äußerst kontraproduktiv“ bezeichnet. Die übliche Imkerei derart zu kritisieren, gilt somit wohl nicht als Schuldzuweisung. Ich stufe das etwas anders ein. Ich halte es sehr wohl für eine Schuldzuweisung.  

Aber genau das ist der große Fehler. Anstatt sich gemeinsam für bessere Lebensbedingungen für alle Insekten einzusetzen, müssen sich die Imker mittlerweile immer mehr gegen solche haltlosen Vorwürfe verteidigen.

Zusammen könnte man erheblich mehr erreichen.

Die Bienen wählen weder heute noch wählten sie vor Jahrtausenden ausschließlich Baumhöhlen als Unterkunft. Alles was als einigermaßen wind- und wettergeschützt angesehen wurde, wurde auch besiedelt. Zumal es auch Honigbienen in Gegenden ohne Wald gab und gibt. Die umgebenden Materialien waren/sind eher zweitrangig. Es erwiesen sich dabei allerdings bestimmt auch einige Hohlräume als ungeeignet und das jeweilige Volk überlebte dort nicht. 

Auch bei der Form des Hohlraumes, sind die Bienen wesentlich weniger wählerisch, als es von Herrn Schiffer hier dargestellt wird.

Bei der Größe gelten die von Seeley publizierten ca. 40 Liter als feste, gegebene Größe. Ich kenne mehrere Beobachtungen, die diese Größe wesentlich überschreiten im hiesigen Raum.

Wie schon erwähnt gelingt es mir sicher nicht, alle fehlenden Informationen dieses Artikels zu ergänzen.  Es bestünde auch die Möglichkeit einfach abzuwarten und zu beobachten, wie die Realität die meisten Behauptungen des Herrn Schiffer widerlegt. Da die Gefahr der Krankheitsübertragung nicht so einfach darzustellen ist, wie im Artikel geschehen, ist das Abwarten aber eine nicht ganz so gute Reaktion.

Problematisch ist zudem bei dieser Vorgehensweise, dass er bis dahin mit seinen Diffamierungen der Imkerschaft, einen viel zu großen Schaden angerichtet hat. Einen Schaden, den die Imker, die Honigliebhaber, die Bienenliebhaber und nicht zuletzt die Bienen zu ertragen haben. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich die ersten drei Bezeichnungen nicht ausschließen sondern sehr oft in einer einzigen Person versammelt sind.

Schließen möchte ich mit zwei Zitaten aus dem Artikel. Allerdings möchte ich sie, im Gegensatz zu Herrn Schiffer auf seine eigenen Aussagen, Behauptungen und Verhaltensweisen beziehen.

Ich bin der Meinung, dass es in dieser Form (besser) mindestens genauso gut passt:

„Den Preis für diese fragwürdigen
Darstellungen zahlen die Bienen und
die zeigen weder eine Mimik, noch
verfügen sie über Stimmbänder – das
Leiden erfolgt in absoluter Stille!“

„Die hier aufgeführten Interpretationen
offenbaren, dass Wissenschaft
nicht nur der Schaffung von Wissen
dient, sondern auch dazu führen
kann, dass der gesunde Menschenverstand
relativiert wird.“

Die geforderte sachbezogene Diskussion erscheint mir sehr schwer durchführbar, da Herr Schiffer sie, entgegen seinen Beteuerungen, mit seinen unumstößlichen Behauptungen selber nicht zulässt. 

Im Januar 2021, 
Hermann Hennecke, (Hobby-)Imker, Bienen- und Honigliebhaber