Diese Crazy North Americans!

Ich wollte schon immer mal etwas über meine Eindrücke schreiben, die ich über die Erwerbsimkerei in Nordamerika gewonnen habe.

Meine “Wissens”-Quelle dafür ist – nahezu einzig und allein: YouTube.
Das ist so seriös und allumfassend, was soll da schon schief gehen?!

Die machen alles größer!

Das Erste, das einem ins Auge fällt, ist die Tatsache, dass die alles zwei Nummern größer aufziehen.
Während man hier mit “ein paar hundert” Völkern zweifelsfrei ein Berufsimker sein wird, gibt es dort auch “Sideliner” (Nebenerwerbsimkereien), die in diesen Größenordnungen laufen.
Die richtigen Erwerbsimker, die haben dann irgendetwas ab 1500 Völker aufwärts.

Das ist genau die Gruppe YouTube Imker, deren Treiben ich mir besonders gerne anschaue – vermutlich weil das so weit weg ist von dem, was ich so mache.

Das sind dann so Leute wie Ian Steppler oder Bob Binnie oder Mike Palmer.
Ian Steppler lebt in Manitoba, Kanada und ist nicht nur Imker, sondern auch Teil eines großen landwirtschaftlichen Familienbetriebes. Bob Binnie, ein grauhaariger, etwas älterer Herr, der Kenny Rogers der Beekeeping-Szene, mit einer sonoren Stimme, hat seinen Betrieb in Georgia, während Mike Palmer, gefühlt noch etwas älter, in Vermont arbeitet.

Alle drei haben gemeinsam, dass sie sehr offen darüber reden, was sie so machen, und wie sie es machen, und wenn man selbst eine kleine Hobbyimkerei betreibt, dann muss man sich wundern, wie so eine Imkerei organisiert sein kann, wenn es ums Geld-verdienen geht.

Das für uns verkopfte Deutsche seltsam anmutende an diesen Typen ist die hemdsärmelige Herangehensweise an das ganze Thema “Beekepping” – die machen halt, und zwar immer in groß und größer.

Die machen Sachen, da bebt die deutsche Imker-Community innerlich!

Wenn man 1500 Hives (Beuten) für den Winter klar machen muss, dann hat man keine Zeit für Faxen. So wird man bei diesen Herrschaften vergeblich nach so Sperenzien wie Totale Brutentnahme suchen, oder dass die drei Mal mit Formic Acid (Ameisensäure) antanzen, um den Milben zu Leibe zu rücken.

Die hauen im Zweifel Apivar Strips (Amitraz) in die Kisten, und gut ist. Der Ian Steppler in Canada macht das im April, wenige Wochen, bevor die Honey Supers (Honigräume) rauf kommen. Mike Palmer haut seine Strips im Spätsommer in die Kisten, und das ist sein einziges Treatment (Behandlung) im ganzen Jahr. Oxalic Acid (Oxalsäure) macht für ihn keinen Sinn, denn wenn man in den US of A OA (Oxalic Acid) gibt, dann verdampft man es (OA Vapor) – was dort völlig legal ist – aber in Vermont, wo der Mike Palmer seine Bienen hat, wird es im Winter so kalt, dass der Dampf nicht durch den eng sitzenden Cluster (Traube) dringt.
Bob Binnie nimmt auch Amitraz, verdampft aber auch. Der hat dafür 4 ProVap 110 und Angestellte, die dann an einem Bee Yard ausschwärmen und alle Völker behandeln.
Blockbedampfung ist dort legal – man hat sogar Untersuchungen dazu gemacht:

Randy Oliver berichtet im aktuellen American Bee Journal, dass bei einer Bedampfung alle 7 Tage die Zahl an Milben in einem Volk nicht sinkt – erst bei kürzeren Behandlungszyklen alle 3 Tage, kommt es zu einem merklichen Effekt, sprich: Eine Reduzierung der Milbenpopulation – wenn denn noch Brut vorhanden ist.

Bob Binnie jedenfalls geht immer auf Nummer sicher. Er nimmt lieber die doppelte Menge OA, als die empfohlene Dosis, und er “never had any Issues with that”

Solche Untersuchungen wären in Deutschlang undenkbar: “Aber der Arbeitsschutz!”, erst recht so experimentelles Zeug wie Randy Olivers Untersuchungen zu Extended Release Oxalic Acid – also eine langsame, kontinuierliche Abgabe von Oxalsäure via eines Schwammes.

Die meisten füttern ihre Völker mit Eimern, sogenannten Bucket Feedern. Gibt es hier auch zu kaufen, sind aber scheinbar eher selten im Einsatz.
Dort bietet es sich an, denn diese Nordamerikaner haben alle Lits (Deckel), die ein Feeding Hole (Loch zum Füttern, im Deckel) haben, wo die Eimer einfach umgedreht drauf gestellt werden.
Dass es dort auch windig ist, ist denen egal – an Anfang sind die Eimer schwer, am Ende sind sie von den Bienen festgeklebt. Und wenn mal einer wegfliegt, ists auch nicht schlimm.

Ian Steppler setzt die manchmal sogar rauf, wenns schneit – Flüssigfutter! Bei Schnee!
Wenn man das ins deutscheste Imkerforum schreiben würden – der Blutdruck eines halben dutzend Profiimker mit 20 Völkern würde durch die Decke gehen!
Aber gottlob kennen Ian Stepplers Bienen das Imkerforum nicht – von daher nehmen sie das Futter einfach ab.

Bob Binnie macht etwas Bleiche in seinen selbst angerührten Sugarsyrup, damit der nicht fermentiert. Irgendwer hat das mal im Imkerforum erwähnt – au weia, da war das Kopfschütteln aber groß. Aber auch dem Kenny-Rogers Look-Alike Winner 2019 Bob Binnie wird das herzlich egal sein – der ist schon seit 1980 Erwerbsimker – da sind die meisten Elite-Imker der deutschsprachigen Facebookgruppen noch mit Dreirädern um den Weihnachtsbaum kariolt.

Ian Steppler karrt seine 1500 Völker jeden Oktober in sein Winter-Shed – eine große Halle, die im Sommer Lager- und Schleuderraum ist. Die Halle wird dann verdunkelt und dicht gemacht und konstant auf 5 Grad gehalten.
Darin überwintert dann sein ganzer Bestand, bevor er im März wieder raus gefahren wird. Der Steppler läuft einmal pro Woche durch die Gassen seiner Beutentürme in dieser Halle und fegt die toten Bienen zusammen. Eine ganze Schubkarre voll.
Dabei kommen vermutlich mehr tote Bienen zusammen, als der beste Imker der deutschen Internetszene in Summe lebendig in seinem Bestand haben wird.
Dem Ian ists egal – wenn der sich den Spaß macht und durch die Fluglöcher in die Beuten filmt, dann sieht man überall fette durchhängende Wintercluster.

Raising Queen Bees!

Alle ziehen sich ihre eigenen Königinnen, aber jeder macht es etwas anders.
Mike Palmer verkauft Königinnen – der hat seine Operation darauf ausgerichtet, im Sommer reichlich Weiseln aufzuziehen, und trotzdem Honig zu machen.
Dafür macht der seine Bee-Bombs – etwas, dass man mitunter in Deutschland als Adam Starter kennt (naja, zumindest die Buckfast Züchter *ZwinkerSmily*). Nur baut er die so, dass die auch noch Honig machen.

Ian Steppler macht nur für sich Königinnen, allerdings auch nicht für seinen ganzen Bestand.
Er lässt die Völker machen. Wichtig ist nur, dass die Colonies right on the money sind (Geld bringen). So hat er Kisten, da ist laut Dokumentation eine 2016er Königin drin. Die ist da natürlich nicht mehr drin, aber wenn da eine gute Supersedure Queen legt (Königin aus stiller Umweiselung), ist dem das auch egal. Alles, was nicht performt, wird aufgelöst, oder ein Ableger reingesteckt. Für diese Ableger werden die Königinnen gemacht, alles aus Zuchtmütter aus dem eigenen Bestand.

Die sind im Laufe der Zeit so auf seinen Betrieb angepasst, dass die machen, was sie sollen, und auch auch zur richtigen Zeit. Die legen im Sommer wie Sau, dann werden Splits gemacht (Ableger), später alle Völker auf einen Brutraum eingeengt und dann ge-“supered”.
Er erntet nur einmal pro Jahr, und dann fast ausschließlich Canola Honey (Raps), aber wenn der sagt, dass eine Colony right on the money ist, dann meint der damit so 4-6 Honigräume pro Volk, und zwar Honigräume in Langstroth. Und die sind dann voll mit Bienen.

Bob Binnie arbeitet etwas anders, Mike Palmer auch, aber alle drei haben eines gemeinsam:
Sie wissen exakt, wie sie ihre Bienen führen müssen, damit die genau zur richtigen Zeit die richtige Stärke haben.
Binnie sagt: Bienenvölker müssen ihren Peak 10 days after the main flow starts erreicht haben, und genau so managt er das dann auch. Damit verhindert er Schwärme und garantiert sich volle Kisten.

Es ist ziemlich spannend, diesen Jungs beim Arbeiten zuzusehen. Der Binnie ist so einer, der arbeitet zwar mit Veil (Schleier), und da weiß der deutsche Profiimker natürlich sofort, dass der nix kann, aber man sieht bei jeder Bewegung mit dem Hivetool (Stockmeißel), dass der das schon eine Million mal gemacht hat, dass der Blick in eine Beute mit absolut sicheren Bewegungen verbunden ist. Er weiß auch exakt, warum er macht, was er macht, und wie er es macht. Nichts daran ist einfach nur irgendwie. Aber er hat halt einen Imkeranzug an, und wir alle wissen – wer einen Imkeranzug trägt, ist kein Imker, sondern ein unmännlicher Loser.

Bob Binnie hat übrigens 2020 Breeder Queens (Zuchtmuttis) gekauft – 2 Stück für über 1000$ – und von diesen dann nachgezogen, und großflächig eingeweiselt.
Er hat da gewisse Erwartungen dran, was die können sollen, und das ist schon strange, wenn da einer seinen ganzen Laden mal eben auf etwas ganz anderes umweiselt.

Pollen Patties!

Alle füttern Pollenersatzfutter. Das ist hier ein kaum präsentes Thema, und irgendwie scheint es hier auch keine Notwendigkeit zu geben.
Aber in Manitoba, Canada, oder am Lake Champlain, Vermont sieht das anders aus.
Manlakes UtraBee ist dort das Mittel der Wahl, Pollenfutterteig herzustellen und im Frühjahr und Herbst zu verfüttern. Da das Zeug teuer ist, wird es wohl einen entsprechenden Mehrwert haben, aber es irritiert anfänglich schon, wenn man bemerkt, dass etwas, das dort mandatory (verpflichtend) erscheint, hier absolut keine Rolle spielt.
Vielleicht haben wir hier doch noch ein Pollenangebot, welches weithin intakter ist, als jenes in Nordamerika.

Ende Gelände

Der Crazy Shit an denen ist, dass die so furchtbar unprätentiös daher kommen.
Das sind Zeitgenossen, die machen das seit Jahrzehnten und müssen davon leben. Irgendwann haben sie dieses Youtube entdeckt, und sich gedacht, dass sie etwas zu erzählen haben.

Ian Steppler hat damit angefangen, weil es ihm wahnsinnig schwer fiel, vor Menschen zu reden. Er ist ein schüchterner Typ, aber er sollte immer öfter vor Publikum Talks geben. Um seine Unsicherheit besser in den Griff zu bekommen, fing er an, seinen Imkeralltag mit seinem Smartphone festzuhalten und zu kommentieren.

Bob Binnie hat das Smartphone in die Hand genommen, weil er Ian Stepplers Kanal gefunden hat, und die Art und Weise der Informationsweitergabe so gut fand. Also wollte er auch etwas beitragen und der Community mitgeben.

Alle drei haben Imkereien, die von der Größe im DACH Raum vermutlich eine Seltenheit sein werden. Keiner der drei lässt das raushängen. Sie zeigen, was sie machen, wie sie es machen und warum. Es gibt keine Art von Geheimniskrämerei, wie sie hierzulande vielen Imkern zueigen ist. Es gibt auch kein Fingerpointing oder runter gemache, niemand nimmt für sich in Anspruch, den einzig wahren Weg der Imkerei gefunden zu haben.

Von daher ist es so angenehm, diesen Leuten, die es wirklich können, aber kein Aufriss darum machen, zuzusehen. Und deswegen kommen einem die Imker hierzulande im Vergleich dazu oftmals überheblich, selbstherrlich und allzu belehrend vor.
Selbst wenn hier einer 100 Völker hat, und meint, alles schon gesehen zu haben, und alles zu wissen – ehrlich Jungs – die 100 macht Bob Binnie mit seinen fast 70 Jahren an einem Vormittag…