2021.2 – Völker verkaufen

Mein Postfach brennt. Ich habe vergangenes Wochenende eine Annonce geschaltet, dass ich Bienenvölker abzugeben habe.
Innerhalb von 12 Stunden lagen Reservierungen für alle verfügbaren Völker vor, und auch danach ließ der Strom an Interessenten nicht nach. Ich habe jetzt eine ziemlich lange Warteliste und ich werde nachher die Ausschreibung aus dem Netz nehmen.

Für mich war es das erste Mal, dass ich im Frühjahr Völker angeboten habe. Bisher habe ich immer allen Überschuss genutzt, um meine Imkerei zu vergrößern. Aber dieses Jahr soll der DNM Krempel raus, alles soll auf Dadant umgestellt werden: Daher trenne ich mich auch von allen Bienen, die in DNM Kisten stecken.

Mich hat die Resonanz völlig überrascht. Hätte ich gewusst, wie hoch der Bedarf ist, hätte ich letztes Jahr mehr Ableger erstellt. Ich hatte genug Ressourcen und das Wissen habe ich mittlerweile auch. Aber nachdem ich im Sommer und Spätsommer keine Ableger verkauft bekommen habe, und kaum jemand auf meine Anzeigen antworten wollte, war ich skeptisch, was mit den vielen Völkern im Frühjahr hätte werden sollen.
Jetzt weiß ich es: Aktuell habe ich Anfragen in einem Umfang von rund 80 Völkern – die ich natürlich nie und nimmer bedienen könnte.

Bitte keine Kunstschwärme!

Die Leute wollen Bienen. Entweder haben sie Verluste zu verzeichnen, oder sie wollen expandieren. Und scheinbar ist der hiesige Markt bereits leer gefegt. Anders kann ich mir die große Nachfrage nicht erklären.

Jetzt treibt mich die Sorge um, dass die vielen unbefriedigten Kaufinteressenten auf das Internet und Segnungen des freien europäischen Binnenmarktes zurückgreifen und Kunstschwärme aus Italien kaufen könnten.

Da fällt einem dann gleich das Stichwort “Kleiner Beutenkäfer” ein, und mit jeder LKW Fuhre an Kunstschwärmen oder Königinnen aus Italien, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass da ungebetene Gäste mit eingeschleppt werden.

Man kann nur appellieren: Kauft keine Kunstschwärme im April. Die kommen immer von südlich der Alpen, die sind immer gefährlich!

Wir Imker müssen alle deutlich mehr vermehren!

Meine wahnwitzige These ist: Die Winterverluste werden aufgrund der Klimakatastrophe zunehmen. Milde Winter, zu heiße Sommer mit zu schlechter Pollenversorgung, schwache Winterpopulationen, höhere Anfälligkeit für Viruserkrankungen, zu wenig fortschrittliches Varroamanagement.

Es erscheint daher sinnvoll, an alle, die es können oder wollen, zu appellieren, deutlich mehr Völker als für den eigenen Bedarf anzulegen, zu überwintern und im Frühjahr auf den Markt zu werfen. Damit der Bedarf des Marktes aus regionalen Bienenbeständen gedeckt werden kann.

Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass bei Institutsfortbildungen noch mehr auf die Betriebsweise der großzügigen Völkervermehrung gesetzt würde. Die Jungimker sollten gleich mit einem Konzept vertraut gemacht werden, dass man immer doppelt so viele Völker vorhalten sollte, wie man eigentlich haben möchte. Dann kann man Winterverluste ausgleichen und ggf. noch Überschuss an notleidende Kolleg:innen abgeben.

Nur die brauchbaren Völker verkaufen!

Ich werde nur verkaufen, was ich auch selber kaufen würde.
Entsprechend wird der Bestand an verkaufsfähigen Völkern sich noch reduzieren. Was nicht taugt, wird aufgelöst, zu neuen Ablegern verarbeitet und damit neu gestartet.

Ich schaffe es nicht, Anfängern irgendeinen Mist zu verkaufen, der ein paar Bienen und eine legende Königin hat.
Auch kann ich die Frage, die mir oft gestellt wird, nicht seriös beantworten: “Wie stark sind denn die Völker?”

Die Durchlenzung steht uns noch bevor. Ich weiß nicht, wie die Völker danach aussehen werden. Aber die eine oder andere Kiste wird schon noch wegfallen.

Ich habe bei manchen Anfragen den Eindruck, man will Bienen shoppen, und erwartet ein bestimmtes, konkretes Produkt. Und ich sehe auch, dass manche Kollegen in ihren Anzeigen das nur allzu gerne versprechen: “Starke Völker!”, “leistungsstark!”, “sanftmütig!”
Mir ist schleierhaft, wie man das jetzt versprechen kann. Ich weiß noch gar nicht, ob meine 2020er Königinnen wirklich leistungsstark sind. Die haben noch keine Honigsaison hinter sich. Und nur weil die Mutter einen prima Stammbaum hat, sagt das erst einmal wenig über die Töchter.
Sanftmut muss sich auch erst beweisen. Satte Völker sind das eine. Wie verhalten sich Kisten, wenn sie eine wochenlange Trachtpause durchstehen müssen? Wie verhalten sie sich Ende Juli, wenn die Räubereisaison beginnt? Bienen sind Lebewesen, ihre Eigenschaften unterliegen einer Vielzahl von Parametern.

Ich tue mich schwer, den Leute eine Art Kaufhaus-Ware zu versprechen. Wenn ich dieses Jahr Königinnen aus dem VSH Material nachziehe, werde ich das den Kunden nicht mitgeben. Von mir bekommen die nur eine Buckfast F1. Wenn man dem Käufer sagt, “hier, da steckt auch VSH Genetik drin”, dann habe ich Sorge, dass da das Varroamanagement drunter leidet, weil beim Käufer falsche Erwartungen geweckt wurden.

Ich denke manchmal, ich bin da auch kein guter Geschäftsmann.
Ich kann den Anfängern vermutlich jedes windige Volk für viel Geld verkaufen. Aber ich bekomme das nicht hin.
Ich hoffe also einfach, dass die Völker noch alle gut durchs Frühjahr kommen, und ich dann ein paar Leute glücklich machen kann.

Trotzdem muss man das mit der gezielten Völkeraufzucht zwecks Frühjahrsverkauf mal etwas näher betrachten. Und ich würde an dieser Stelle einfach jedem empfehlen, über den eigenen Bedarf hinaus zu vermehren.

Achso: Und verschenkt Völker wenn nur an Freunde oder Bekannte. Nehmt Geld dafür. Es sind Lebewesen, und dem Käufer sollte es das auch Wert sein – sonst respektiert er weder eure Arbeit, noch die Bienen.