Warum Königinnen in Abhängigkeit zur Volksstärke beurteilt werden müssen

Vorgeschichte

Eine 2017er Königin samt Gefolge war im September 2018 nicht so stark wie gewünscht, obwohl das Volk den Sommer über gut dagestanden hatte. Die Gründe dafür waren vielfältig. Der Winter 2018/2019 lief dann so lala, und das Volk winterte schwach aus.
Es kam im Frühjahr nicht so richtig in Schwung und dann fand ich zur Schwarmzeit immer wieder Schwarmzellen und war schon kurz davor, die Königin zu entsorgen.

Kurz vor einer Umweiselung ging mir dann in einem starken Volk die Königin verloren, und als Notnagel sollte dann diese 2017er Königin herhalten. So vereinigte ich dann beide Einheiten, und plötzlich hatte diese Königin ein sehr großes Gefolge um sich.

Hatte sie es im Frühjahr und Frühsommer nicht geschafft, mehr als eine DNM 1,5 Wabe mit Brut zu belegen, so bestiftete sie jetzt innerhalb kürzester Zeit 5-6 große Waben, und legte ein tadellos geschlossenes und gesundes Brutnest an, und auch Schwarmzellen gehörten der Vergangenheit an.

Kaum hatte sie einen großen Hofstaat zugewiesen bekommen, konnte sie zeigen, was in ihr steckt., und das war nicht wenig.

Die Hauptstory – wie ich fast Jungköniginnen grundlos selektiert hätte

Bevor ich die seltsame Wandlung der 2017er Weisel bemerkte, hatte ich unbegattete Königinnen erhalten und begatten lassen.
Unmittelbar nach der Begattung legte fast jede dieser Weiseln los und stiftete in wenigen Tagen 2-3 Brutwaben voll. Ich war sehr zufrieden und ließ die Damen machen.

Zwei Wochen später dann eine erste Ernüchterung: Alle Königinnen hatten ihr Brutnest auf zwei Waben eingeschränkt, die dritte Wabe war ausgeräumt worden, teilweise war das Brutnest lückig und auch Kalkbrutmumien waren zu finden.

Die Bienen, die bei Bildung der Begattungsableger mitgegeben worden waren, alterten zusehends und starben weg, wurden aber mehr als ersetzt durch die ebenfalls mitgegebene Brut. Als die Königin begattet war, und zu stiften begann, war alle Brut geschlüpft. Und so waren die Kisten zu Beginn angenehm mit Bienen gefüllt, während das Brutgeschäft zunächst gut startete, um dann doch nicht so richtig in Gang zu kommen.

Ich fing also an, an den Königinnen zu zweifeln. War die Genetik nicht gut? Waren die Aufzuchtbedingungen nicht in Ordnung gewesen? War etwas bei der Begattung schief gelaufen? Auch das Brutnest gefiel mir nicht – zu lückig, zu ungleichmäßig.

Aber weil ich nicht so recht wusste, wie ich damit umgehen sollte, habe ich die Kisten machen lassen, und nichts unternommen.

Die Entwicklungsdynamik im Volk

Beide Geschichten haben gemeinsam, dass es jeweils ein Massewechsel geben musste, bei dem alte gegen neue Bienen ersetzt wurden. Bei der 2017er Weisel war es die reguläre Frühjahrsentwicklung (Winterbienen gehen, nach einer langen Brutpause, während eine neue Generation aufgezogen wird), bei den Jungweiseln war es der Verschleiß der Bienen, die dem Ableger beigegeben wurden. Auch hier musste eine zunehmend alternde Bienengeneration einen Neuaufbau bewerkstelligen.

In beiden Fällen läuft die Dynamik ähnlich: Nach einer längeren Unterbrechung wird neue Brut angelegt, ohne dass junge Bienen parallel schlüpfen würden.
In Summe nimmt die Volksstärke also ab, weil mehr Bienen sterben (Wert X), als neue Bienen geboren werden (Wert 0). Es dauert 21 Tage, bis die erste Brut schlüpft und zur Verstärkung herangezogen kann. Zunächst schlüpfen aber weniger Bienen, als wegsterben, zumal während dieser 21 Tage die Zahl der brutpflegenden Bienen kontinuierlich abnimmt. In der Folge stehen anteilig zum Brutumfang immer weniger Ammenbienen zur Verfügung, als notwendig wären, und so wird das Brutnest auf das Machbare eingeschränkt.

Da Ammenbienen mehr als eine Brutzelle pflegen können, wird mehr Brut gepflegt, als Bienen vorhanden sind, aber es gibt offenbar dieses eine Verhältnis von „Anzahl Ammenbienen zu Anzahl Brutzellen“ – und dieses Verhältnis entwickelt sich zunächst ungünstig für den Brutumfang.

Ich nenne diesen Moment für mich die Pflegebienendepression – wenn die Königin mehr legt, als die Ammenbienen pflegen können, worauf sie sich dafür entscheiden, schon bestiftete Brutzellen wieder leerzuräumen.

Handgemalt: Brut- und Bienenentwicklung in einem Begattungsableger

Es kommt aber der Moment, an dem Jungbienen schlüpfen, und da mehr Brut gepflegt wurde, als Bienen im Volk sind, kehrt sich die Entwicklungsdynamik irgendwann um, die Anzahl der Bienen nimmt wieder zu.

Es schlüpfen mehr Bienen, als wegsterben, dadurch entsteht ein Überschuss, der es ermöglicht, das Brutnest auszudehnen – also mehr Brutzellen zu pflegen – worauf sich jetzt eine Art Schneeballeffekt einstellt.

Meiner Beobachtung nach dauert es etwa 6 Wochen mit Beginn der Eilage, bis ein Volk das Brutnest wieder auf die ursprüngliche Größe ausgedehnt hat und die Anzahl der Bienen höher ist, als zum Zeitpunkt der Ablegerbildung.

Beobachtung: Jetzt auch erst änderte sich das Brutbild und wurde geschlossener (Kalkbrutmumien verschwanden interessanterweise irgendwann zwischen 1. und 2. Brutsatz, wofür mir aber bisher keine wirklich plausible Erklärung einfallen mag).

Königinnen, welche die Pflegebienendepression überwinden, bzw. überwunden haben, werde ich auf jeden Fall mit in den Winter nehmen.

Pflegebienendepression vs. Königinnendepression

Es gibt aber einzelne Ableger, die stagnieren auf niedrigem Niveau – vgl. auch die blaue Linie in der Grafik. Hier wird zwar gebrütet und gepflegt, aber netto nimmt die Zahl der Bienen ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr zu.
Sechs Wochen nach Beginn der Eilage sollte sich die Entwicklungsdynamik ins Positive verkehrt und die Volksstärke zugenommen haben.
Ist das nicht der Fall, würde ich eher von einer Königinnendepression sprechen.
Diese Königinnen scheinen es nicht zu schaffen, ein ausreichend starkes Volk aufzubauen. Über die Ursachen kann ich nur spekulieren, aber jene Begattungsableger, die in der Vergangenheit so ein Verhalten zeigten, und die ich mit über den Winter genommen habe, blieben immer auch hinter den anderen Völkern zurück.

Wie passt das mit der 2017er Königin zusammen?

Die o.g. 2017er Königin litt eher unter einer Pflegebienen- als unter einer Königinnendepression. Das zeigte sich eindeutig, als ich die Zahl der zur Verfügung stehenden Ammenbienen drastisch erhöht habe.

Aber eigentlich hätte sich das Volk ja aus eigener Kraft erholen müssen, um die Königin als Grund auszuschließen, oder?

Ja, aber ich glaube, hier verfälschten mehrere Faktoren die Volksentwicklung im Vergleich zu einem Ableger:

  • Die Pflegebienen waren Winterbienen, und damit sehr alt.
  • Das Volk zeigte im Februar Anzeichen von Ruhr.
  • Als später Schwarmzellen auftraten, wurde es geschröpft.
  • Als die Schwarmzellen weiterhin auftraten, wurde eine TBE vorgenommen.

Damit ließ sich diese Königin nicht sauber beurteilen. Höchstens die erhöhte Schwarmneigung gibt einen Hinweis darauf, dass eine Umweiselung angezeigt sein könnte (je nachdem, welche Betriebsweise und Philosophie man bevorzugt).

Fazit

Ich war und bin auf der Suche nach Kriterien, neue Königinnen bewerten zu können.
Im ersten Jahr kann man weder Schwarmträgheit noch Honigertrag heranziehen.
Was man aber zur Beurteilung berücksichtigen muss:

  • Sanftmut (nach 6-8 Wochen sind nur noch Arbeiterinnen der neuen Königin vorhanden),
  • Wabenstetigkeit,
  • Brutbild, Anzeichen von Brutkrankheiten,
  • quantitative Volksentwicklung.

Nach diesen Kriterien werde ich dann im September die Begattungsableger aus dem Juni beurteilen und entsprechend Selektieren.

Wichtig war für mich, zu verstehen, wie es sich mit den Abhängigkeiten von Königin zum Volk und Volk zur Königin verhält, welche Mechaniken dort wirken, und wie das bei einer Beurteilung der Weiseln zu berücksichtigen ist.
Eine Königin bleibt unter ihren Möglichkeiten, wenn die Volksstärke nicht passt, andererseits stagniert ein Volk, wenn die Königin dauerhaft nicht ausreichend legt.

Das entscheidende Auswahlkriterium dabei ist für mich, ob eine Königinnen-Volksgemeinschaft es schafft, binnen 6 Wochen die Pflegebienendepression zu überwinden und quantitativ zu wachsen.