Gehet hin und vermehret!

Ein Lobgesang auf die Ablegerbildung, und warum auch der Hobbyimker dazu aufgerufen ist, in großer Zahl zu vermehren.

“Aber ich habe doch schon 4 Völker! Eigentlich wollte ich doch nur 2 haben, und jetzt sind es schon doppelt so viele! Mehr kann ich nicht!”

Das hört oder liest man ab und an, im Imkerverein, in Foren oder sonst wo.
Und es ist grundverkehrt.

“Die meisten Anfänger verzeichnen im dritten Winter einen größeren Völkerverlust. Grund ist die mangelnde Zahl an Ableger, die gebildet worden ist”, sagte Dr. Jens Radtke in einer Schulung zu uns. Die Bildung von Brutwabenableger aus Wirtschaftsvölkern heraus senkt in eben jenen die Anzahl an vorhandenen Milben stark. Und das hat langfristig positive Auswirkungen auf die Überwinterung dieser Wirtschaftsvölker. Weil aber Anfänger in der Regel zu Beginn des dritten Sommers genug Völker haben, bilden sie in diesem Jahr keine weiteren Ableger mehr, die Milbenlast steigt und im kommenden Winter rächt sich das durch diverse Ausfälle.

Das allein wäre also schon ein Grund, immer wieder fröhlich zu vermehren.
Aber es gibt noch andere Gründe.

Vermehren mit der Varroabehandlung

Ein Naheliegender Grund:
Auch wenn man eigentlich schon genug Völker hat, so kann man im Juli eine TBE durchführen und aus den Brutlingen, die dabei entstehen, Ableger bilden, die als Reservevölker dienen. Gleichzeitig hat man mit der TBE eine sehr gute, bienenverträgliche und wetterunabhängige Varroabehandlung durchgeführt.
Jetzt hat man zwar viel mehr Völker, als man eigentlich haben wollte, aber wenn man alle erfolgreich über den Winter führt, kann man überflüssige Völker verkaufen, und wenn man Verluste zu verzeichnen hat, kann diese so elegant ausgleichen.

Vermehren aus wirtschaftlichen Gründen

Die Imkerei ist eines der wenigen Hobbies, bei denen nicht nur Geld verbrannt sondern auch verdient werden kann.
Da es immer mehr Hobbyimker gibt, gibt es auch immer mehr selbstproduzierten Honig auf dem Markt. Damit ist es mitunter nicht mehr so einfach, den eigenen Honig unter die Leute zu bringen (wenngleich es hier eigentlich noch nicht so düster aussieht, wie manchmal in Imkerkreisen dargestellt).
Wenn also die Honigproduktion zunimmt und der Druck vermeintlich zu steigen droht: Gibt es mehr Imker, gibt es auch einen steigenden Bedarf an Bienen. Die Neuimker benötigen sowieso welche, und da der Rest im Winter auch Völker verliert (auch die Alt-Imker. Manchmal gerade die!), gibt es also immer wieder einen Bedarf an Nachschub an Bienenmaterial.
Hier kann man im Frühjahr den einen oder anderen Euro verdienen, wenn man Vorjahresableger jetzt als stark ausgewintertes Volk an den Mann oder die Frau bringen kann. Da lässt sich die Imkerkasse vor Saisonbeginn schon etwas füllen.

Wenn wirtschaftliches Denken sich mit etwas Gutem verbindet

Man kann sich auch auf die Vermehrung spezialisieren.
Jos Guth zeigt auf, wie man aus 10 Völkern in einer Saison 100 Ableger machen kann, ohne dabei Kompromisse bei der Qualität zu machen.
Natürlich wäre das für jeden Hobby-Imker zu ambitioniert, aber man kann ja auch 5-10 Ableger bilden und diese gut über den Winter bringen und dann veräußern. So viel Platz nehmen die Völker in den richtigen Kisten gar nicht weg, und es ist ja auch nur vorübergehend.
Wenn man jetzt auch noch auf die Genetik achtet (also nicht willkürlich nachschaffen lässt, sondern entweder gezielt günstig Material einkauft – beispielsweise in Form unbegatteter Weiseln, oder sei es nur, dass man auf eigene Selektion achtet – siehe auch Basiszucht), dann erzeugt man auch noch wertvolle Völker für den allgemeinen Genpool.

Jetzt muss man diese Völker nur noch regional anbieten und abgeben, und schon hat man nicht nur Geld verdient, sondern auch noch etwas Gutes damit getan:
Jeder Imker, dessen Bedarf man mit regionalem Bienenmaterial befriedigen kann, hat keinen Grund mehr, im Internet Paketbienen zu kaufen.
Würde man in Deutschland so viele Bienenvölker produzieren, dass der heimische Markt daraus gedeckt werden kann, würde das signifikant die Wahrscheinlichkeit senken, beispielsweise den Kleinen Beutekäfer aus Italien einzuschleppen (wobei: Es gibt ja immer noch diese geistig umnachteten Vollpfosten, die Bienen aus Italien kaufen, weil es ja so schön exotisch ist…).

Natürlich ist für eine gesunde, verantwortungsvolle Vermehrung Voraussetzung, dass ein Vermehrer nach den Regeln spielt, und für seinen Stand immer ein aktuelles Gesundheitszeugnis einholt, bzw. vorweisen kann. Aber Futterkranzproben, um ein Beispiel zu nennen, sollte sowieso jeder Imker regelmäßig abgeben.

Den regionalen Bedarf mit gutem Material zu decken, kann auch – zumindest theoretisch – positive Auswirkungen auf weitere Vermehrungen durch Standbegattungen haben.
Würde jeder nur seine besten Völker am Stand behalten und konsequent selektieren, könnten auch Standbegattungen mehr Spaß machen und zu besseren Ergebnissen führen (wobei der Begriff “Besser” und worauf er sich bezieht, am Ende höchst subjektiv ist).

Daher möchte ich den einen Leser, den ich hier erreiche, dazu ermutigen, über den eigenen Bedarf hinaus zu vermehren, und seine besten Bienen unter das Neuimkervolk zu bringen – auf dass es sich langfristig positiv auf unsere Bienenpopulationen auswirken wird…