Imkerforumstreffen 2019

“Wie spricht man deinen Nickname aus? Ral-Null-Errr?”
Wenn ich das wüsste!
“Sag’ einfach Ralf – ist vielleicht am einfachsten…”

Zweieinhalb Tage in Hessen, in Kleinlüder, unter lauter Imkern, mit Essen bis zum Umfallen, ohne Telefonempfang, dafür aber mit wackeligem WLAN, tollen Vorträgen, kleinen Blumen-Samen, feuchten Bierduschen, vielen neuen Bekanntschaften und wenig Schlaf.
Ein Wochenende wie eine Klassenfahrt, nur ohne Lehrkörper… obwohl…

Freitag – 08.03.

Weltfrauentag.
Berliner, und jene, die in Berlin arbeiten, sind unverhofft und spontan mit einem Feiertag beschenkt worden, unabhängig davon, ob sie Frauen sind oder nicht.
Wie passend, habe ich mir gedacht, fahre ich doch an jenem Tag nach Hessen, aufs Land, nach Kleinlüder, um im Jagdhof Heilig Kreuz ein Wochenende mit Imkern aus ganz Deutschland zu verbringen, die sich über das Imkerforum.de zumindest schriftlich kennen.
Im Vorfeld hat mich Thomas, DOMMY genannt, angeschrieben: Ob wir nicht zusammen fahren wollen, schließlich kommen wir aus der gleichen Ecke unseres Landkreises? Die Idee finde ich gut und so schlage ich um zehn Uhr bei ihm auf. Nachdem er mich durch seinen Imkerkeller geführt und wir die ersten Fachsimpeleien schon durch haben, bevor ich auch nur meine Jacke hätte ausziehen können, geht es auch schon los.

Man kann ohne jede Anstrengung fünf Stunden am Stück über das Imkern reden, ohne dass das Thema auch nur ansatzweise ausreichend erschöpfend behandelt worden wäre. Schon hier nehme ich etliches an Anregungen für mich mit.
Und so geht die Autofahrt mit fast 500 Kilometern schnell vorbei, und wir erreichen scheinbar als Erste den Veranstaltungsort im osthessischen Wald.
Die Unterkunft, ein Landgasthof, der so wirkt, als sei er im Laufe der Jahre organisch in die Breite gewachsen, ist angenehm, sauber, preisgünstig und mit einer hinreichend guten Küche ausgestattet, die wir in den kommenden 2 Tagen ausreichend leer fressen werden.

Da außer uns noch niemand da ist, setzen Thomas und ich uns in das Restaurant und bestellen koffeinhaltige Heissgetränke.
“Es heißt ‘Gännsche Kaffee'”, erklärt uns der Kellner, und wir lassen uns noch Kuchen aufschwatzen – wenn schon, denn schon.
Kurz darauf stehen Blütenbiene und wald&wiese in der Tür. Man gibt sich zu erkennen, wie Mitglieder eines Geheimbundes, und die beiden begrüßen uns mit breitem sächsischem Zungenschlag.
Das wird die kommenden Stunden zur Normalität: Dialekte der Deutschen Sprache in gar unterschiedlichsten Ausprägungen erfordern ständiges Umschalten in jenem Teil des Gehirns, welcher gewöhnlich für Fremdsprachen zuständig ist. Baden Württemberger, Franken, Bayern, Sachsen, Hamburger, Kölner, ganz viele Brandenburger und Berliner, aus allen Ecken des Landes sind sie gekommen.

Innerhalb kurzer Zeit füllt sich die Gaststube und bei jedem Neuankömmling frage ich mich: Wer ist das wohl? Wie lautet sein Forumsname? Und wenn ich den Forumsnamen dann kenne: Hatte ich schon mal Ärger mit dem? Und immer wieder zwischendurch die Frage: “Wie spricht man deinen Namen aus? Rallöf? Rallor? Rallnuller?”
Es kommen Jule, Jelle, Amape, Tobber, Bienenköniggibmirhonig, Baudus und einige mehr, aber eben noch nicht alle. Auf honigbanane freue ich mich – wir beide haben oftmals exakt die gleichen Probleme, die gleichen Fragen und “liken” die gleichen Beiträge und Antworten. Wenn man so will, ist sie mein bei der Geburt getrennter imkerlicher Zwilling.

Auch wenn man schon 5 Stunden im Auto über Bienen geredet hat, kann man das ohne weiteres in größerer Runde noch um ein paar Stunden verlängern, auch dann noch, als unsere Organisatoren Jörg K. und Kikibee auftauchen, die in den kommenden Tagen die Aufgabe der nicht ganz so gestrengen Gruppenleiter übernehmen werden.

Schließlich geht’s zum Abendessen in einen großen Saal, wo alle Platz finden, zu einem großen Rund angeordnet.
Die Gespräche verlassen ab und an die Bienen und kommen zu Fragen wie “Was machst du, wenn du nicht bei den Bienen bist?”, “Wie lange imkerst du schon?”, “Was war da eigentlich mit diesem und jenem im Forum los?”, “Kennst du diesen oder jenen?”
Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ziemlich viele Leute in der IT-Branche arbeiten. Aha, denke ich mir, irgendwie scheinen Bienen auch für andere ein guter Ausgleich zum Tastaturhacken zu sein.
Es kommt Forumsprominenz wie Luffi oder wasgau_immen, und immer wieder das Ratespiel “zu welchem Forumsnamen wird wohl dieses Gesicht gehören?”, zusammen mit der Feststellung “oha, den habe ich mit aber ganz anders vorgestellt!”

Schließlich lerne ich endlich honigbanane persönlich kennen, und tatsächlich: Auch im realen Leben stellen wir uns die gleichen imkerlichen Fragen und finden die gleichen Dinge gut (unsere Youtube Abos ähneln sich auf frappierende Art und Weise) und die selben Dinge doof (Kippkontrollen).

Jörg und Kikibee machen dann eine Ansage: “Jeder sucht sich jetzt einen Partner, und dann machen wir eine Vorstellungsrunde. Bei dieser Runden stellt ihr dann euren Partner vor!”
Mir gegenüber sitzt Ludger. Der hat, im Gegensatz zu mir, schon viele Jahre Bienen, Erfahrung und ein spannendes Spezialthema (Zucht, VSH, künstliche Besamung). So kann ich der Runde einen interessanten Teilnehmer vorstellen, was meinen Job erheblich vereinfacht.
Ich hingegen kann nicht viel mehr sagen als “Hallo, ich bin der Ralf und habe seit 2017 Bienen”
“Oha – dann bist du ja so etwas wie das Nesthäkchen hier”, sagt Ludger freundlich und meint es auch so. Immerhin kann ich ihm noch die Geschichte erzählen, wie und wo ich meine ersten Bienen gefunden habe – das ist zumindest eine halbwegs interessante Geschichte.

Die Vorstellungsrunde ist dann sehr interessant und kurzweilig, aber es sind einfach zu viele Informationen – sich neben den Forumsnamen auch den echten Namen zu merken, den Beutentyp, die Völkerzahl – das ist unmöglich. Erst recht nach diversen Radlern und mit Suppenkoma.

Die Gespräche rotieren zwischen Bienen und Berufen, man rotiert zwischen den Tischen und Teilnehmern und am Ende landen wir alle in einer Art Partykeller und einige holen die mitgebrachten Bierkästen hervor, was die Stimmung ein weiteres Mal hebt, bevor ich schließlich irgendwann nach 1 Uhr nachts auf mein Zimmer gehe und wie tot ins Bett falle, reichlich satt und leicht angeballert

Samstag – 09.03.

07:30 Uhr klingelt der Wecker. Das ist viel zu früh, mein ganzer Biorhythmus ist durcheinander!
Nach einer Dusche schlurfe ich in den Frühstücksraum – endlich wieder essen! Die meisten anderen sehen genauso müde aus wie ich, und ich lechze nach Kaffee.

Um 9 Uhr geht es dann los, mit einem Vortrag von wald&wiese über das Thema Genetik und Biene, im Zusammenhang mit der Zucht.
Ich fühle mich ein wenig zurückversetzt nach 1990, in den Bio-Leistungskurs. Aber die ganzen Begriffe, die früher aus dem FF saßen, kommen mir jetzt wieder neu und fremd vor, und in meinem übernächtigten Zustand fordern mich die Allele und Basenpaare aufs Äußerste. Man merkt schnell: Der Mann macht das nicht nebenbei, der macht das beruflich. Später beim Kaffee bestätigt er dann: Er ist Genetiker.

Als nächster kommt Luffi, und wenn Luffi im Raum ist, bekommt das auch jeder mit. Es folgt ein kurzweiliger, hochspannender Vortrag über die Arbeit des Projektes VSH-Toleranzzucht des Landesverbands der Buckfastzüchter Bayern. Ich werde später etwas dazu schreiben, was ich von diesem Vortrag für mich mitnehme, aber vermutlich hinterlässt bei jedem im Saal der Vortrag im besten Sinne Spuren. Das ganze restliche Wochenende zieht sich das Thema immer wieder durch die Gespräche. Er beschreibt, wie man bei diesem Projekt arbeitet, wie viel Arbeit und Herzblut darin steckt. Allein der Aufwand, der betrieben werden muss, um VSH Potential einer Königin zu messen, ist enorm! Er ermahnt uns, wo wir selber umdenken sollten, aber zu keinem Moment habe ich den Eindruck einem esoterischen Spinner oder Gernegroß mit magischen Bienen zuzuhören. Die Ergebnisse, die er präsentiert, beruhen einzig und allein auf harter Arbeit von vielen unterschiedlichen Leuten, und ausgefeilten Methoden zur Analyse, Selektion und Vermehrung von Genmaterial. Und das Verrückte ist, dass sie den sogenannten Proof of Concept vermutlich erbracht haben. Und das muss man dann erst mal sacken lassen, was das eigentlich bedeutet.

Dann kommt der gute wasgau_immen, der nach Luffi aus der praktischen Arbeit mit den Zuchtergebnissen berichtet. Wie ist das, mit Völkern zu arbeiten, die offenkundig selbstständig mit der Varroamilbe zurecht kommen. Er ist sichtlich nervös und aufgeregt, aber auch gut vorbereitet, und so können wir teilhaben an den Erfahrungen eines Praktikers – was gerade für Anfänger wie mich immer wieder äußerst lehrreich ist.

Zwischen den Vorträgen müssen wir immer wieder Dinge essen (Kuchen, Braten, Nachtisch) und Kaffee trinken. Ich erwische Uwe Eichholz, auf den ich neugierig war, weil ich dieses Jahr bei ihm Königinnen bestellt habe, und wissen wollte, wie der so tickt (kurzum: Ich freue mich schon sehr auf seine Königinnen).
Beim Mittagessen erzählt Baudus von seinen Bienen in Potsdam und seiner individuellen Kundenberatung, als die Kellnerin ihn individuell und unbeabsichtigt mit Bier beduscht. Er nimmts gelassen und fährt unbeeindruckt mit seinen Ausführungen fort.

Bevor Berggeist uns etwas über die Waldtracht und die Vorhersagbarkeit derselbigen berichtet, diskutiert man angeregt das Thema Toleranzzucht, später dann die Erfahrungen mit Scalvini-Käfigen.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit längst erreicht, und bevor man sich versieht, ist irgendwie auch schon wieder Abendessen angesagt.

Später dann kommen wir alle noch einmal zusammen, um einem spontanen Vortrag von d2dum zum Thema “Temperatursummen” zu lauschen. Daraus entwickelt sich später – in kleinerer Runde – ein spannender Austausch darüber, wie man auch als relativ kleiner Imker mit dem Thema VSH Zucht starten kann.

Irgendwann landen wir dann wieder im besagten Partykeller, bevor ich mich um halbeins ins Bett verabschiede.

Sonntag – 10.03.

Nicht schon wieder 07:30 Uhr! Zunächst hatte ich ja gefürchtet, aufgrund der vielen Informationen nicht einschlafen zu können – zu viel ist mir noch im Kopf rumgeschwirrt, aber dann bin ich doch einfach ins Koma gefallen.

Beim Frühstück sehen alle etwas müde aus und anschließend machen sich die ersten auf den Heimweg, so auch wir. Man verabschiedet sich voneinander, es ist irgendwie schade, dass es schon vorbei ist, aber ich freue mich auch auf zu Hause. Wir nehmen noch iWei nach Fulda mit, der ab dort mit einem ICE weiter will.

Auf der Autobahn rekapitulieren DOMMY und ich dann noch mal das Wochenende, und was man davon so mitnimmt. Ich für meinen Teil nehme eine Menge mit, und schon seit Samstag rattert es im Kopf, wo ich was an meiner Betriebsweise verbessern und verändern kann, um noch bewusster und vor allem strategischer mit der Milbe zu arbeiten.

Am Ende kommen wir sehr gut durch und ich bin vor dem Schneeregen sicher zu Hause – vollgepumpt mit Eindrücken und Ideen.

Ein großartiges Wochenende!

Was ich für mich mitnehme

“Wenn die Leute doch mit der unsäglichen Winterbehandlung aufhören würden!”, “Der Winter ist der beste Zuchtmeister!”, “Behandelt bedarfsorientiert!” und “Zählt Milben!”

Das sind so Sätze, die viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren bieten. So oder so ähnlich hat sich Luffi in seinem Vortrag geäußert. Man müsste den gesamten Vortrag wiedergeben können, um dem gerecht zu werden, was er ausgeführt hat. Aber viele Punkte konnte ich für mich am Ende wie folgt zusammenfassen:

Imker neigen dazu, ihre Schwächlinge zu päppeln und zu unterstützen, während draussen, in der Wildnis, Schwächlinge aussortiert werden.
Je mehr der Imker päppelt, umso schwieriger wird eine vernünftige Selektion auf bestimmte Kriterien, weil er Schwächen seiner Völker praktisch überschminkt.
Luffi plädierte dafür, hier härter zu Werke zu gehen.
Allerdings nicht leichtfertig.
Leichtfertig wäre es meines Erachtens, einfach nichts zu tun, Völker sich selbst zu überlassen und abzuwarten, was im Frühjahr noch steht – denn in der Regel wird nach zwei Wintern vermutlich nichts mehr stehen.
Luffi schlug einen anderen Weg vor, nämlich sinngemäß, die eigenen Völker gut zu überwachen und erst dann etwas zu unternehmen, wenn bestimmte Schadschwellen überschritten werden (bspw. bei einem Befall von >1 % phorethischer Milben). Wenn man pauschal alle Völker behandelt, zeigt eine Befallsermittlung nicht mehr, ob ein Volk möglicherweise VSH Genetik in sich trägt, weil alle Völker milbentechnisch gleichgeschaltet werden – die positiven Ausreisser können damit nicht mehr gefunden werden.
Die Völker, die einer Behandlung bedürfen, werden auch behandelt, fallen aber für eine Nachzucht aus und werden Ziel einer schnellstmöglichen Umweiselung. Jene Völker, die besser als der Durchschnitt am Stand mit der Milbe zurecht kommen (sprich: Den geringsten Befall habe plus bestenfalls Symptome von VSH zeigen), werden vermehrt und die Jungweiseln bestenfalls auf eine Belegstelle mit VSH-Drohnen geschickt.
Die Völker, welche Schadschwellen reissen, werden dann mit den nachzuchten umgeweiselt.
Jede Selektion und Begattung ist im Grunde eine neuerliche Wette auf eine bessere VSH. Ob sich die Wette gelohnt hat, erfährt man nur durch eine plausible Analyse des Erfolgs/Misserfolgs.

Zentral war für mich die Erkenntnis, dass man als Kleinimker mit 10, 20 Völkern sehr wohl in diese Richtung selektieren und gezielt vermehren kann. Denkbar ist auch der Ansatz, eine Batterie mit Mini+ Völkchen zu führen, in welcher man seine Zuchtversuche prüft und dann selektiert – und so einfach eine größere Anzahl an Allel-Kombinationen zur Verfügung hat.
d2dum hat hierzu interessante Ideen vorgestellt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man so zu varroatolleranten Bienen kommt. Aber man erlernt im Grunde eine Kulturtechnik – nämlich weg von einer pauschalisierten Vorgehensweise, hin zu einer analytischen, situativ gesteuerten Behandlungsweise, bis hin zur Selektion, Vermehrung und erneuten Prüfung. Woanders nennt man so etwas Feedback-Schleife.

Wenn man dabei die eigenen Fertigkeiten der Befallsanalyse, der Vermehrung, Begattung und Selektion erlernt, ist man dann zur rechten Zeit bereit, das richtig gut funktionierende Material auch zu beherrschen. “Beherrschen” bedeutet in diesem Fall: Weiter selektieren, vermehren, begatten lassen, prüfen.
Ein langfristiger Erfolg kann sich m.E. nur dann einstellen, wenn in der Breite vor allem das Wissen vorhanden ist, VSH züchterisch zu pflegen. Will sagen: Es braucht mehr Züchter – und zwar nicht nur eingetragene Profizüchter, sondern eine Art Basiszucht im VSH Kontext.

Ich zähle und messe und dokumentiere eh schon ziemlich viel. Allerdings habe ich mich nie getraut, daraus eine befallsorientierte Behandlung abzuleiten.
Aber das Wochenende hat mich motiviert hier mal genauer hinzusehen und meine Behandlungsstrategie zu überdenken.

Luffi hatte hierfür viele praktische Tipps. Das Ganze beruht bei ihm und seinen Mitstreitern eben nicht auf esoterischen Gequatsche von Stirnholzdeckeln, die diffusionsoffen sind, Bücherskorpionen und einer möglichst wesensgemäßen Bienenhaltung, sondern auf Methoden zur Analyse, der kurzen Iterationen und erneuten Analysen. Wie man das eben so macht, wenn man herausfinden will, ob etwas funktioniert, und glaubt das Wissenschaft Wissen schafft.

Als ich Luffi gestern zum Abschied fragte, wie man ihn denn unterstützen könne, sagte er: “Komm halt zum Auszählen!”

Wenn es terminlich passt, komme ich dieses Jahr.